Jedermann

Badische Zeitung

Dröhnend klingen die Glocken ans Ohr, mahnend ruft eine Stimme „Jedermann, Jedermann“. Im Hintergrund erscheint eine düstere Gestalt im dunklen Mantel, das Gesicht schwarz vermummt: der Tod. In diesem Moment ist Schluss mit lustig an der Festtafel. Die trinkfreudigen Zecher stieben panisch auseinander, die rote Tafel wird umgestoßen, Jedermann bleibt allein gelassen zurück. Dramatisch verläuft diese Szene in der Aufführung von Hugo von Hofmannsthals „Jedermann“ in der Theaterreihe der Kulturkooperation in der Schopfheimer Stadthalle.
Sparsam und karg im Bühnenbild und in den Requisiten, opulent in den historischen Barock- und Rokokokostümen: So inszeniert Christian Schlösser mit der Theaterkompagnie Stuttgart dieses berühmte „Spiel vom Sterben des reichen Mannes“. Regisseur Schlösser, dessen Inszenierung in Schopfheim Premiere feierte, widerstand der Versuchung, diesen Klassiker zu modernisieren. Stattdessen legt er viel Wert auf die Kraft der Sprache Hofmannsthals, auf die zeitlos gültige moralische Botschaft dieses Mysterienspiels – und setzt auf die Sprechkunst seiner Schauspieler, die zum Teil erfahrene Profis, zum Teil junge Schauspielschüler der von Schlösser geleiteten Theaterakademie sind. Ihre starke Bühnenpräsenz, ihr packendes Spiel und souveränes Sprechen ließen diese Allegorie auch auf einer Saalbühne nachhaltig wirken – ohne Domkulisse wie in Salzburg. Bruchlos waren die lyrisch dichten Texte von Ingeborg Bachmann eingeflochten, die Cornelia Schlösser in der personifizierten Figur von Gott, dem Herrn, spricht.

So reduziert die äußeren Mittel in der Bühnenausstattung sind – schwarzer Vorhang, eine Treppe, Spiegel, Stühle –, so aufwändig kommen die historischen Kostüme daher. Besonders in der Festszene mit der Buhlschaft wird die Dekadenz der Reichen, Lebenslustigen, Vergnügungssüchtigen in prachtvollen, ausladenden Reifröcken und reich verzierten Kostümen lustvoll zur Schau getragen. In dieser Bankett-Szene, in der Köche üppig beladene Tabletts auftragen und die Vettern schmausen, trinken, lachen und anzügliche Possen reißen, herrscht pralles Leben – und mitten drin Jedermann, den in diesem dekadenten Festtrubel seltsam melancholische Anwandlungen und böse Vorahnungen überkommen. Mit Till Schneidenbach ist die Titelfigur sehr kraftvoll besetzt. Selbstbewusst und kraftstrotzend in Gebärden, Körpersprache und Ausdruck gibt der Schauspieler den reichen Mann, der die um Almosen bittenden Armen und den Schuldknecht kaltherzig abweist. Das Allegorische kommt in vielen Figuren deutlich heraus: Cornelia Schlösser als Gott der Herr, in einem schlichten Gewand, ist in fast allen Szenen eindrücklich präsent. Sehr theatralisch gerät der Auftritt von Jidu Pasqualini als glänzender, schillernder Mammon. Bocksfüßig humpelnd, mit dreckigem Lachen und wütendem, zähnefletschenden Eifern erscheint Sebastian Kutz als gehörnter Teufel; er kämpft mit den gebrechlichen, „Guten Werken“ (Annetta Dick) um die Seele Jedermanns. So eindringlich gespielt, hat diese Allegorie nichts von ihrer Wirkungskraft verloren, wie sich am langen Beifall des Publikums zeigte.

Wenn das Ende naht – was bleibt dann?

Theaterkompagnie Stuttgart präsentiert einen großartigen „JEDERMANN“ vor dem Fritzlarer Dom.

Der Fritzlarer Dom bietet eine herrlicher Kulisse für den Festspiel-Klassiker par excellence: „JEDERMANN“ von Hugo von Hofmannsthal. Von Sabine Degenhardt.

Fritzlar. „Jedermann“, dröhnt es eindringlich von den Stufen vor dem Dom. Es ist die Stimme von Gott, dem Herrn (Cornelia Elter-Schlösser). Die Stufen gehören zum schlichten Bühnenbild der Theaterkompagnie Stuttgart. Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes bildet den Auftakt für drei Abende Kultursommer Nordhessen in Fritzlar. Ein Wunsch ist damit für Intendantin Maren Matthis in Erfüllung gegangen, die „Jedermann“ „schon immer mal vor dem Dom haben wollte“. Jedermann (Till Schneidenbach) ist sich seiner Sache sicher. Sein Geldsäckel ist gut gefüllt, damit will er einen Lustgarten für seine Buhlschaft (Sophia Müller) errichten lassen. Auf dem Weg dorthin tritt ihm ein armer Nachbar entgegen und bittet Ihn um Geld. Einen Schilling wirft Ihm Jedermann vor die Füße. Ein Schuldknecht (Christian Steiner) bittet Jedermann, seinen Schuldbrief zu zerreißen, der jedoch lässt Ihn einsperren. Für sein Weib (Annetta Dick) und seine Kinder (Boris und Jegor Dick) will der Reiche Mann aber sorgen. Und dann kommt es auch noch zu einer Begegnung mit Jedermanns Mutter (Cornelia Elter-Schlösser), die ihm sein Verhalten zu Gott vorhält, wovon der Sohn aber nichts hören will. „Siehst denn Tod nit, Jedermann?“, fragt die Mutter. Zu seiner Freude kommt stattdessen seine Buhlschaft, um Ihn zum Fest abzuholen. Musik, Tanz, gutes Essen und Wein sollen für Stimmung sorgen. Doch nur die Gäste vergnügen sich, Jedermann hört Glocken läuten, und Stimmen, die seinen Namen rufen. Eiskalt, legt Jemand die Hände auf seine Schultern und greift dann nach seinem Herzen. Es ist der Tod (Lucas Amerbacher) der ihn holen kommt, damit er vor dem Gericht Gottes, Rechnung legt. „Nein“, ruft Jedermann, Mark erschütternd. „Ist kein ehrlich Spiel.“ Angst macht sich breit, lässt ihn um Fristverlängerung flehen. Er bittet seine Buhlschaft, seinen treuen Gesell (Sebastian Kutz) seine Vettern (Markus Michalik, Gerard Nesper) Ihn auf seinem letzten Weg zu begleiten. Doch niemand ist dazu bereit. Selbst der Mammon (Jidu Pasqualini) ganz in Gold und Glitzer gekleidet, folgt ihm nicht in die Ewigkeit. „Fährst in die Grube, nackt und bloß, wie du kamst aus Mutters Schoß.“ Gibt der Mammon ihm mit auf den Weg. Und verschwindet in der Geldtruhe. Eine Schreckliche Erkenntnis. Doch dann hört Jedermann eine Stimme, zart wie Seide. Es sind seine Guten Werke (Annetta Dick).

Zeitlos wirkt Hofmannsthals Jedermann, vor dem Fritzlarer Dom. Zeitlos überheblich, denn seine Religion ist das Geld. Zeitlos schön in schillernden, wallenden Kostümen. Hochsteckfrisuren, und mit edlen Geschmeiden. Zeitlos schaurig, durch das erscheinen des Todes, der die große Angst auslöst – die Angst sterben zu müssen. Was diese Angst aus Jedermann macht, erlebten über 500 Zuschauer mit. Aus dem Aufrechten, von Reichtum verwöhnten Herrn, wird ein gebrochener Mann, der fast zu spät erkennt, worauf es im Leben ankommt. Die guten Werke, sind die einzigen, die seinen Letzten Gang begleiten würden. Das Spiel vom Sterben des Reichen Mannes, eindrucksvoll dargeboten. Herausragend Gott, der Herr, lange Zeit, regungslos auf der Treppe stehend, der sich auf der Bühne in Jedermann Mutter verwandelt, während das Schauspiel seinen Lauf nimmt. Jedermann der es gut versteht, sowohl seine Überheblichkeit herauszukehren, als auch Mildtätigkeit und Hilfsbereitschaft zu zeigen. Denn das Jammern der Kinder, des Schuldknechts, konnte selbst er nicht ohne Rührung anhören. Ein Teufel, der sich seiner Sache zu sicher war, Jedermann aber nicht in die Hölle führen kann. Ein Mammon, der sich seiner Sache wirklich sicher sein konnte, denn aller Reichtum, alles Geld bleibt in dieser Welt, wenn sich der Besitzer auf seinen Letzten Weg begibt, und über allem die Große Angst vor dem Tod, dem letzten Gang aus dieser Welt, eindrucksvoll gespielt, von allen, die sich, so schnell es ging, in Sicherheit brachten, als der Tod seine Eiseskälte verbreitete, und so dauert es, nach dem letzten Satz, einige lange Sekunden, bis das Publikum sich in der Realität wieder findet, und applaudiert. Jeder, so schien es, weit weg getragen von wirklich guten Schauspielern. Die Zuschauer hatten anschließend, bei einem Glas Wein, Gelegenheit mit den Schauspielern ins Gespräch zu kommen – vielleicht über Tod und Teufel?

Wenn Gottvater weiblich ist, und irren männlich.

Hugo von Hofmannthals „Jedermann“ ist ein Klassiker auf Festspielbühnen. Von daher passt er bestens zur Sommerreihe „Klassik auf dem Vulkan“, auf dem Burgberg in Daun. Die Premiere war ein Volltreffer.

Das war große Kultur, was die Theaterkompagnie Stuttgart (TKS) da auf der Sommerbühne auf dem Dauner Burgberg zu bieten hatte. Der „Jedermann“ – Das Spiel vom Sterben des Reichen Mannes. Zwar heißt es, Hugo von Hofmannsthal, habe sich als Vorlage eines alten englischen Mysterienspiels bedient, wenn man aber genau hinschaut, ist es eine Vorlage aus dem neuen Testament. Bei Lukas wird im 12 Kapitel, die Geschichte vom reichen Mann erzählt, der seine Ernte eingefahren hat, und sich nun zufrieden zurücklehnt. Dann aber kommt Gott, und sagt zu Ihm: „Du Narr! Noch heute Nacht, werde ich dein Leben von Dir fordern. Wem nützt das Alles, was Du, angehäuft hast?“

In der Regie von Christian Schlösser, wurde der Jedermann, zu einem packenden Schauspiel, das die knapp 400 Zuschauer, in atemlose Spannung versetzte, und keinem die Chance ließ, sich zu entziehen. Man hätte dem Abend auch die Überschrift, „Auch Du kommst drin vor“ geben können. Verantwortlich war dafür in erster Linie, ein hervorragender Till Schneidenbach. Der die Titelrolle, mit unglaublicher Überzeugung spielte. Nicht weniger beeindruckend, war Cornelia Elter-Schlösser, die nicht nur für die Konzeption des Abends zuständig war, sondern auch die Rollen von Gottvater (Wer behauptet, das Gott männlich ist) Jedermanns Mutter, und des verarmten Nachbarn übernommen hatte.

Etwas überzeichnet allerdings (mit Hörnern, Schwanz und Pferdehuf) vertrat Sebastian Kutz die Rolle des Teufels, der am Ende der Lächerlichkeit preisgegeben wird. Nachdem Jedermann feststellen musste, dass er die Letzte Reise alleine antreten muss, weil alle seine vermeintlichen Freunde, ja selbst seine Geliebte (Sophia Müller), Ihn nicht begleiten wollen, und auch das Mammon (Jidu Psqualini) Ihm höhnisch verkündet, dass er nichts mitnehmen kann, traten in der Person von Annetta Dick, Jedermanns „Gute Werke“ auf. Verhärmt, vernachlässigt, geschunden und doch vorhanden. Auch hier galt, überzeugend gespielt. Mit dem Jedermann hat Daun hoffentlich nicht zum letzten mal einen Theaterklassiker ins Programm aufgenommen. Die Schauspiel Premiere war auf jeden Fall ein Volltreffer, der beeindruckte und nachdenklich machte. Der Abend kam an, und der lange Applaus dankte nicht nur den Schauspielern, sondern sagte den Veranstaltern: Weiter So.

Trierischer Volksfreund.

Mysterienspiel in Steinhagen: Nonstop-Aufführung der »Theater-Kompagnie-Stuttgart« aktualisiert den »Jedermann«

Dramatische Dichtung à la Meistersinger Hans Sachs’ »Hekastus« (1549), die der österreichische Schriftsteller Hugo von Hofmannsthal (1874–1929) aufgriff und mit seinem Mysterienspiel »Jedermann – Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes« im Jahr 1911 ein neuzeitliches Knittelvers-Update angefertigte, wurde am Abend des Reformationstags von der »Theater-Kompagnie-Stuttgart« auf die Bühne im Schulzentrum gebracht. Das 18-köpfige, generationsübergreifende Ensemble widmet sich mit szenischer Brillanz dem immer noch brandaktuellen Traditionsstück, das bereits seit 1920 alljährlicher Bestandteil der »Salzburger Festspiele« ist und mit Furore Publikum generiert. Nun wurde der allegorische »Jedermann« von seinem angestammten Open-Air Spielplatz vorm Salzburger Dom in die hiesige Aula mit 300 Gästen teleportiert. Ein expressives Bühnenbild symbolisiert die Treppe zum Tempel Gottes, ein großer Tisch eignet sich fürs »Dolce Vita«, und in zwei großen Truhen schlummern Unmengen von Gold, das auch als personifizierter »Mammon« (Hadeer Khairi) für Jedermanns Reichtum steht. Ganz besonders farbenprächtige Barockkostüme bilden den Blickfang. Faszinierend elegant tritt die in knallrotem Brokat gekleidete Buhlschaft des goldlivrierten Protagonisten auf (Sophia Reisgies und Till Schneidenbach). Alle anderen Schauspieler besitzen ebenfalls ein stimmiges Outfit, gemäß ihren unterschiedlichen Rollen. Der Teufel (Sebastian Kutz) agiert im schwarzen Zottelfell, der Tod (Annegret Hornik) erscheint in düsterer Kapuzenkutte, der Schuldknecht (Manuel Nehr) und seine Familie flehen in zerrissenen Leinenstoffen um Gnade. Seine Frau (Anetta Dick) sorgt sich um ihre beiden Töchter. Die beiden achtjährigen Schulfreundinnen Lina und Alina aus Steinhagen schlüpften in ihr erstes Bühnenfach und prügeln bei ihrer Premiere nach Kräften auf den unnachgiebigen Jedermann ein, der ihren Vater in den Schuldturm sperren lässt. Überhaupt gewinnt das allegorische Schauspiel unter der Spielleitung von Cornelia Elter, die chamäleonartig Gott, Jedermanns Mutter und einen armen Mann verkörpert, und dem Regisseur Christian Schlösser erheblich an Tempo. „Wir bewahren den Sprachduktus, haben redundante Textpassagen gekürzt und verzichten auf eine Pause“, erklärt Schlösser das beschleunigte Konzept, das eine kompakte Rezeption des Mysterienspiels als energiegeladenes Turbo-Theater ermöglicht, ergänzt durch avantgardistische Zitate der deutsch-jüdischen Schriftstellerin Else Lasker-Schüler. Adelheid Meyer-Hermann vom Kulturwerk wies kurz vor der Vorstellung auf die Besonderheit des pausenlosen Stücks in Spielfilmlänge hin. „Wir Kulturwerker wissen, wie gern Sie in der Pause ein Glas Sekt trinken. Aber der Regisseur ließ da nicht mit sich handeln. Und der Teufel und der liebe Gott, die in diesem Stück vorkommen, auch nicht. Also, was tun? Wir werden ein Aftershow-Treffen mit den kostümierten Schauspielern haben und dabei Getränke genießen können – und das unentgeltlich“, lud Meyer-Hermann ein, die noch ein Extra Bonmot aufsetzte. „Wer hat schon mal die Chance, mit dem Teufel ein Glas Bier zu trinken?“ Ein deutliches Raunen erfüllte die Aula. Direkt im Anschluss an die Aufführung, die im Applaushagel mit sieben Vorhängen für die Darsteller endete, entwickelten sich im Foyer sehr lebhafte Gespräche zwischen den Zuschauern und den immer noch kostümierten Akteuren. Der Teufel, alias Sebastian Kutz, der zusammen mit Till Schneidenbach (Jedermann) eben erst Bürgermeister Besser kennengelernt hatte, tat im Interview mit dem Haller Kreisblatt kund: „Ich habe hier sehr viel Spaß gehabt. Steinhagen ist klasse.“

Von Edwin Rekate

„Jedermann“ beeindruckt

Das „Spiel vom Sterben des reichen Mannes“ ist heute so aktuell wie damals. Und der Theaterkompagnie Stuttgart gelingt in Neuburg, das Publikum mit dem zeitlosen Stoff zu fesseln

Der „Jedermann“, den die Theaterkompagnie Stuttgart in Neuburg auf die Bühne brachte, wurde vom Publikum begeistert aufgenommen.

Wie kann man den „Jedermann“, ein im deutschen Sprachraum vielgespieltes Bühnenstück und Kernstück der Salzburger Festspiele, um noch eine Variante erweitern? Die Theaterkompagnie Stuttgart hat mit ihrer jungen Truppe einen weiteren Versuch gewagt und sie hat im Neuburger Stadttheater damit einen starken Eindruck hinterlassen.

Jedermann, das „Spiel vom Sterben des reichen Mannes“ – 1911 uraufgeführt, nachdem Hugo von Hoffmannsthal Themen des 300 Jahre alten Mysterienspiels in Versform in eine zeitgemäße Bühnenfassung brachte – ist heute so aktuell wie damals. Man lebt beruhigt vor sich hin, häuft irdische Güter an und schert sich wenig um die Not der anderen. Jedermann – groß, schön, stark selbstbewusst – genießt das Leben in vollen Zügen. Die Freunde sind mit dabei, solange der Wein fließt.

Eine aufgedrehte Truppe tänzelt mit den übertriebenen Gesten der Comedia dell’arte um die schöne Buhlschaft (Elena Vodoloskina) im roten Kleid. Die Stimmung ist aufgedreht, doch der Gastgeber ist betrübt, denn er spürt sein Ende: „Gerichtstag samt Rechenbuch“ liegt in der Luft. „Das Leben fließt wie Sand dahin“ sinniert er und sieht seine Festgesellschaft im Totenhemd sitzen. Seine Frage „Seid Ihr alle käuflich?“ trifft die Freunde frontal und die Stimmung kippt. Jetzt sucht der Jedermann Begleiter ins Jenseits: der Freund – groß, schön, stark, selbstbewusst – , gleiche Hose, gleiche Stiefel, verspricht vollmundig Begleitung „egal wohin“. Der Teufel (ebenfalls Sebastian Kutz) ist der gleiche Typ, dazu noch großmäulig und zynisch. Nur das hartnäckige Eintreten der „Guten Werke“, von vertrockneten Blumen symbolträchtig dargestellt, verhindert letztlich die Reise in die Hölle.

Till Schneidenbach ist ein beeindruckender Jedermann: er ist brutal, angeberisch und rücksichtslos, aber auch zutiefst verletzt, als ihn seine Freunde verlassen und er seinen Schmerz herausschreit. Als Gott und Ansagerin greift Cornelia Elter immer dann beruhigend ein, wenn der Gefühlsüberschwang zu stark zu werden droht.

Regisseur Christian Schlösser und 17 Schauspieler schaffen in 90 Minuten das Kunststück, die Zuschauer bei größtmöglicher Anspannung zu fesseln. Zu diesem Zweck wurden langatmige Dialoge und Handlungen gestrafft, kleine zeitgemäße Einsprengsel versteckt und flotte Übergänge geschaffen. Die Verse wirken frisch, wie entstaubt. Flexibel genutzte Bühnenbereiche und die Einbeziehung des Parketts sorgen für Abwechslung – das Publikum im Stadttheater fühlte sich bestens unterhalten und spendete, als der Vorhang fiel, kräftigen und begeisterten Applaus. 

Von Annemarie Meilinger 

Das ewig junge Theaterstück atemberaubend gespielt

Kompagnie Stuttgart präsentiert in Neuburg den „Jedermann“
Brillanter Hauptdarsteller Till Schneidenbach

Beim Festgelage ist Jedermann mit seiner Buhlschaft noch guter Dinge. Dürr und zerbrechlich sind die Grashalme, die Die guten Werke mitgebracht hat. Sie ist die einzige, die bereit ist, Jedermann (Till Schneidenbach) in den Tod zu begleiten. –

Das ist die Botschaft des Mysterienspiels, das Hugo von Hoffmannsthal vor mehr als 100 Jahren verfasste. 40 Jahre alt ist Jedermann (mit ungeheurer Bühnenpräsenz: Till Schneidenbach) und denkt nicht ans Sterben, sondern genießt in vollen Zügen sein ausschweifendes Leben. Da mag seine Mutter (Cornelia Elter in bedeutungsschwerer Dreifachrolle, auch als Gott und armer Nachbar) ihn noch so sehr mahnen und bitten, sich gottgefälliger aufzuführen. Gute Werke? Mitleid mit den Armen? Schuldenerlass für in Not geratene Familien? Fehlanzeige. Jedermann braucht sein Geld für ein Grundstück, auf dem er einen Lustgarten für seine Buhlschaft errichten will. Oder für zig andere Sachen, die ihm wichtiger sind als gute Werke zu tun, denn „mein Geld muss für mich arbeiten“.

Wer der wahre Herr ist er selbst oder Mammon (Christoph Daecke) – das erfährt Jedermann (beinahe) zu spät. Sein Leben auf der Überholspur spiegelt sich im Tempo der an Dramatik, packender Spannung und atemberaubender Intensität reichen ersten Stunde der ausgezeichneten Inszenierung (Cornelia Elter/Christian Schlösser). Jedermanns barsche Verachtung dem ehemaligen Nachbarn gegenüber, die ergreifend gespielte Szene mit dem aufmüpfigen Schuldknecht (Christoph Daecke), seiner schwangeren Frau (Anetta Dick) und den beiden verängstigten Kindern, sowie schließlich das frivole Trinkgelage mit der Buhlschaft, dem dicken (Semjon Dolmetsch) und dünnen Vetter (Gerhard Nesper) und seinem guten Gesellen (Sebastian Kutz) jede Szene bringt Jedermann dem Tod (Lou Dömeland) näher, der ganz in Schwarz, gesichtslos, still und doch unausweichlich hinter ihm steht.

Die Fäden hält ohnehin Gott, der Herr, in Händen, von Cornelia Elter ebenso unaufgeregt wie schneidend-klar gespielt. Jedermann bekommt die erbetene Stunde Aufschub. Um festzustellen, dass ihn keiner in den Tod begleiten will, weder Freund noch Geliebte, weder Verwandte noch Diener, nicht einmal sein Geld. Es bleiben nur die guten Werke (ausdrucksstark: Anetta Dick) an seiner Seite, doch die wären ohne Gottes Gnade viel zu schwach, um den Teufel abzuwehren. Sebastian Kutz brilliert in der Rolle des Teufels, der keine Hörner braucht, um sardonisch auszusehen. Die Kraft der Worte von Hoffmannsthals wird bei ihm besonders deutlich.

Das unregelmäßige, an Knittelverse erinnernde Versmaß gibt dem Text Schwung und hält die Aufmerksamkeit des Publikums hoch, zumal die Schauspieler den Worten enorm viel Aussagekraft mitgeben. Eher karg das Bühnenbild, opulent dagegen die Kostüme, auch hier wird der Gegensatz zwischen Vordergründigem und dem am Ende Bleibenden deutlich. Ein gelungener Theaterabend für ein packendes, ewig junges Theaterstück, das in seiner gut 100-jährigen Geschichte nichts an Aktualität verloren hat.

Von Andrea Hammerl

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